, Steckler Andre

Unsichtbare Kristalle und Atemreglerausfälle

Unsichtbare Kristalle und Atemreglerausfälle
Ausfälle oder Fehlfunktionen bei Tauchausrüstungen sind relativ seltene Ursache von
Tauchunfällen mit und ohne Todesfolge. Wenn es soweit kommt, handelt es sich meist um
gefährliche Fehlfunktionen von Atemreglern oder den Inflatoren an Tarierwesten.1 Daher war die
Nachricht, die DAN vor Kurzem zu einer Reglerfehlfunktion erhielt, keine wirkliche Überraschung.
Die Ursache dafür stellte sich aber als äußerst ungewöhnlich heraus.
Obwohl die in den Vorfall verwickelten Taucher die Situation sehr gut im Griff hatten und niemand
zu Schaden kam, hätte ein unerfahrener oder nervöser Taucher vielleicht nicht so viel Glück
gehabt. Besonders bemerkenswert war, dass die Flasche des Tauchers nicht leer war, das
Atemgas aber immer langsamer ausströmte und schließlich wie in einer Out-of-air Situation ganz
versiegte. Die genauere Untersuchung der Ausrüstung führte zu einer rätselhaften Entdeckung:
eine große Menge an gelbem „kristallisiertem“ Material verstopfte die Innenseite des Einlaßventils
der zweiten Stufe. Das Material schien aus dem Inneren des Schlauchs zu kommen, der zwar
schon ein paar Jahre in Gebrauch war, aber äußerlich keine Unregelmäßigkeiten oder
Abnutzungserscheinungen zeigte.


Beim Versuch, das Rätsel zu lösen, entdeckten wir, dass es sich hierbei um keinen Einzelfall
handelte. Die gleiche Situation war schon in einem Tekk-Taucher-Blog2 beschrieben worden und
auch von Schlauchherstellern und Wartungswerkstätten in beliebten Tauchgebieten. Obwohl
bislang keine Verletzungen gemeldet worden waren, führte die Entdeckung dazu, dass das Ganze
auf einer breiteren und globalen Ebene untersucht wurde.
Auf Nachfrage erhielten wir von einem großen Schlauchhersteller einen interessanten Rat:
Schläuche halten nicht ein Leben lang und insbesondere Gewebeschläuche sollten alle fünf Jahre
ersetzt werden - oder sogar öfter, wenn sie eindeutige Anzeichen von Verschleiß zeigen oder
lange Zeit tropischer Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Hinzu kommt, dass einige Schläuche,
die unter den Markennamen seriöser Schlauchhersteller verkauft werden, in Wirklichkeit
Imitationen sind.
Ein begeisterter Taucher, Ingenieur bei einem privaten Unternehmen in den USA, bot an,
Niederdruck-Gewebeschläuche einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Er ließ verschiedene
Schläuche auf künstlichem Weg schneller altern und fand zunächst einmal heraus, dass
Schläuche mit einem Innenmaterial aus thermoplastischem Polyester-Polyurethan (Polyester-
TPU) während der Untersuchung zerfielen. Dieses Ergebnis entspricht auch den Berichten, die
DAN zum Thema Schlauchversagen gesammelt hat. Andererseits versagten Schläuche, die aus
thermoplastischem Polyether-Polyurethan (Polyether-TPU) bestanden oder deren Innenseite
damit beschichtet war, nicht.
Ein bekannter europäischer Hersteller von Gewebeschläuchen, der seit jeher Polyether-TPU
verwendet, verlangt von seinen Materialzulieferern seit 2008, dass diese die Polyether-TPUInnenbeschichtung
bescheinigen.


Wie kommt es zum Zerfall der Innenbeschichtung?
Das Zerfallsprodukt, eine gelbe kristallähnliche Substanz, ist weicher als es scheint und fühlt sich
an wie Wachs, wenn man es zusammendrückt. Die Reaktion, die den Zerfall verursacht, ist
eigentlich Hydrolyse und für diese ist, wie der Name schon sagt, Wasser erforderlich. Eine erhöhte
Temperatur fördert den beschleunigten Abbau bzw. die Hydrolyse von Polyester-TPU.
Wiederholtes zyklisches Erhitzen und Abkühlen der Innenbeschichtung des Schlauchs fördert
diese Form der Kristallisation bei Materialien, die entweder für eine solche Verwendung
ungeeignet sind oder durch bestimmte Chemikalien oder Bakterien beeinträchtigt werden. Die
Sonne heizt den Schlauch auf und dann kühlt das Atemgas die Innenseite des Schlauchs wieder
ab. Dieser Prozess wiederholt sich bei jedem Tauchgang und die „Kristalle“ sammeln sich im
Laufe der Zeit an. Es bilden sich schließlich genügend „Kristalle“, die den Gasfluß behindern bzw.
die in Richtung des Reglers der Zweiten Stufe wandern. Das führt letztendlich zu einem
schwerwiegenden Ausfall des Atemgeräts.


Es ist schwer vorherzusagen, wie lange der Zerfall einer Innenbeschichtung aus Polyester-TPU
dauert, aber die uns vorliegenden Informationen lassen vermuten, dass dies bei freiliegenden
Schläuchen bei 30°C und hoher Luftfeuchtigkeit in relativ kurzer Zeit der Fall sein kann.
Ausrüstungshersteller wurden über dieses Phänomen informiert und haben daraufhin ihre
bestehenden Lieferanten sorgfältig überprüft und verbesserte Maßnahmen zur Überprüfung des
Materials und zur Qualitätssicherung umgesetzt.
Die Standard-Sicherheitsempfehlung für Reglerschläuche lautet, dass diese regelmäßig auf
Anzeichen externen Verschleißes hin untersucht werden sollten. Wenn die äußere Gummischicht
zerfällt oder verschleißt, werden die Schläuche letztendlich anfällig und können reißen, wenn sie
unter Druck stehen bzw. im Einsatz sind. Tatsächlich sind Gummischläuche hierfür recht anfällig,
weshalb Polymer-Gewebeschläuche entwickelt wurden. Aber hier liegt das Problem: Bei einer
flüchtigen Kontrolle der äußeren Oberfläche kann die Außenseite der Gewebeschläuche normal,
beweglich und fehlerfrei erscheinen, während der Zerfall im Inneren unentdeckt bleibt.

Was empfiehlt DAN?
Es ist uns wichtig, Tauchern Folgendes zu raten:
• Alle Reglerschläuche, auch Gewebeschläuche, haben eine begrenzte Lebensdauer, und zwar
ganz unabhängig von ihrem äußeren Erscheinungsbild, einer Verstärkung bzw. einem
Schlauchschutz oder dem Gewebe selbst. Die defekten Schläuche, die wir gesehen haben, waren
mehr als fünf Jahre alt.
• Beim Kauf eines Schlauchs sollte man die Zusammensetzung der Innenbeschichtung prüfen -
sie sollte aus Polyether-TPU und nicht aus Polyester-TPU bestehen. Falls man sich nicht sicher
ist, sollte man den Schlauch nicht kaufen. Man sollte sein Schläuche und andere Ausrüstungsteile,
die der Sicherheit dienen, von namhaften Herstellern beziehen, die eindeutig deklarieren, welches
Material für die Innenbeschichtung verwendet wurde.
• Wenn es irgendwelche Anzeichen dafür gibt, dass die Gaszufuhr eingeschränkt ist, sollte der
Taucher den Atemregler sofort nicht mehr verwenden. Das gilt vor allem für neuere Schläuche.
Der Regler und der Schlauch müssen dann sorgfältig geprüft werden. Wenn der Regler nicht die
Ursache ist, liegt es vermutlich am Schlauch.
• Man untersucht Schläuche, indem man sie Zentimeter für Zentimeter zusammendrückt, um
festzustellen, ob sie gleichmäßig beweglich sind. Jede Änderung dieses Widerstands, die auftritt,
während man den Schlauch der Länge nach zusammendrückt, deutet auf ein mögliches Problem
hin. Dieser Test lässt sich mit Gewebeschläuchen viel leichter durchführen als mit
Gummischläuchen.

Wir bitten alle Taucher, die einen solchen Verschleiß bei der Schlauchinnenbeschichtung
beobachten, unter communications@daneurope.org eine E-Mail an DAN zu senden - am besten
mit Bildern, die den Zustand des Schlauchs demonstrieren. So können wir so viele Informationen
wie möglich sammeln und mehr über dieses Phänomen lernen. Erkenntnisse, Sicherheitshinweise
und Ratschläge werden wir natürlich an die Taucher-Community weiterleiten.
Referenzen
1. Vann R, Lang M. Recreational diving fatalities. Undersea Hyperb Med 2011; 38(4): 257-60.
2. Davis A. Nylon-braided regulator hose diving emergency. Scuba Tech Philippines. 22. Juli 2015.
Geprüft 7. Dezember 2016.

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